POWERFRAUEN IN KUNST UND LITERATUR–AUSSTELLUNG

P O W E R F R A U E N in Kunst und Literatur

08.11.2024 – 07.12.2024
Vernissage: 08.11.2024 19:22 Uhr

InterArt e.V. Rosenstr.37 70182 Stuttgart

https://www.interart-stuttgart.de/

Wie die hier zusammengestellten Porträts von zeitgenössischen europäischen und amerikanischen Künstlerinnen eindrucksvoll zeigen, gehen Frauen in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts ihren eigenen Weg, auch diejenigen, die lange nur als Ehefrauen von bedeutenden Künstlern angesehen wurden. Sie lassen sich meist keiner der bestimmenden Stilrichtungen zuordnen, bevorzugen Mischtechniken oder einen ‹sichtbaren› Farbauftrag. Die Themen entstammen oftmals der weiblichen Lebensrealität: Die hier vorgestellten Frauen beschäftigen sich immer wieder mit Gewalt, mit der Identität als Frau, dem eigenen Körper oder dem kommerziellen weiblichen Schönheitsideal, mit dem Zerfall der Seele und der Natur der Realität. Viele sind Feministinnen, viele von Krankenhaus- oder Psychiatrieaufenthalten geprägt (nicht alle).
Die Stuttgarter Künstlerin Pola Polanski hat von allen hier Vorgestellten ein Porträt gezeichnet und diesem eine Lebensskizze und ein inspiriertes Stichwort zur Charakterisierung des Werks oder der Person gegenübergestellt. Sie hat ihre Werke gründlich studiert und kennt einige von ihnen persönlich, kann sich zudem als Künstlerin zwanglos in die ihr nahestehenden Frauen einfühlen.

AI

Zyste im Rücken, Abszess am Arsch, Miniskus ruiniert. Konstantin lächelt mich an. Er hat keine Schmerzen, keine Aggressionen wegen der Schmerzen. Ich denke an den Film „Im August in Osage County“ wie Meryl Streep sämtliche Mitglieder ihrer Familie vom Tisch fegt mit den Worten wie zum Beispiel „Frauen werden im Alter immer hässlicher, Männer jedoch immer schöner“. Ich frage mich, ob, wenn man AI hat, also Akne Inversa, ob das was mit AI, Artificial Intelligence zu tun hat. Wir haben fertig gegessen. Da steht noch die halb gefüllte Wasserflasche. Konstantin sagt: „Die nehmen wir mit.“ Er läuft mit der Wasserflasche voraus, ich an Krücken hinterher. Immer wieder kommt der Gedanke, mein ramponiertes Skelett wird demnächst auseinanderfallen.

Schwarzes Wasser

Ich sitze im Flugzeug der Firma Eurowings auf dem Rückflug von Lanzarote und bin in mein Buch „Schwarzes Wasser“ von Joyce Carol Oates vertieft. Die dicke Stewardess in dem schrecklichen hellblauen Kostüm, das ihre Kurven noch mehr betont, reisst mich aus dem Kampf von Kelly Kelleher mit dem Ertrinkungstod nach einem Autounfall. Die Stewardess schaut mich unter dicken schwarzen angeklebten Wimpern an. Sie sind nicht angeschnallt. Kelly Kelleher entdeckt gerade, dass ihr Fuß nicht mehr zu spüren ist. Ich schaue von meinem Buch auf. Die Stewardess ist schon wieder weg. Der bullige Typ neben mir liest in einem Buch über erfolgreiche Vernehmungsfälle. Ein Kriminalbeamter? Meine Gedanken schweifen in den Frühstücksraum des Hotels, in dem wir einquartiert waren. Konstantin erwähnte wie beiläufig, dass die Engländer Meister beim Toasten seien, sie würden ihr Brot doppelseitig toasten und wären so erfahren in der Schlange am Toaster immer ihr Brot wieder zu finden, obwohl, sie es ja wegen dem doppelseitigen toasten immer zweimal in die Maschine geben müssten. Ich lese, wie sich Kelly Kellehers Blut mit dem schwarzen Wasser, dem Sumpfwasser, Brackenwasser mit Öl durchsetzt vermischt. Konstantin beobachtete weiter die Schlange und murmelte unter vorgehaltener Hand zu mir: Der kämpft mit seinem Brot, also kein Engländer. Jetzt kommt die nächste Stewardess. Sie sieht von vorne aus wie ein Monster, ein Opfer einer misslungenen Schönheitsoperation. Ich werfe meine Gedanken Konstantin an den Kopf. Er meint darauf, das sei eine Crew, die auf Kurzflüge abgeschoben werde, bevor sie in Rente dürfe. Kelly Kelleher sieht Lichtflecke, die sich in ihren Schädel wie Krebsgeschwüre bohren. Wir lagen am Pool. Ständig quietschte die Ausgangstür zum Hafen, wenn die Engländer ein- und ausgingen. Und dieses Scharren der Liegestühle, wenn die Engländer Schatten suchten! Ich sagte zu Konstantin, ich könne mich kaum auf meinen philosophischen Text, der gerade von der Relativitätstheorie und Quantenphysik handelte, konzentrieren. Er entgegnete, das sei eine selbstauferlegte Strafe, wenn ich so etwas lesen würde, ich finds schön hier. Darauf murmelte ich mürrisch, nur Rentner. Dabei dachte ich mir, es ist viel zu heiß und ich kann nicht ins Wasser, da mir, sobald ich aus dem Wasser steige, das Wasser aus der Blase einfach so herausfließt, ohne dass ich es kontrollieren könnte. Misslungene Konnisation vor acht Jahren! Abends fiel mir im Hotelzimmer ein Glas mit Rotwein gefüllt auf den Boden. Der ganze Boden war mit Glassplittern übersät. Als Konstantin vom Pool kam, sagte ich ihm, er solle aufpassen. Er meinte, wenn ich schreie, bin ich reingetreten. Kelly Kelleher schwappt das Brackwasser in den Mund, es füllt ihre Lunge und sie müht sich ab, Sauerstoff in das ermattende Hirn zu pumpen. Als Konstantin und ich zum Abendessen mit unserem schlammgrünen Jäger-Mietwagen, der uns beim Einsteigen immer mit einem Piepen begrüßte, fuhren, hatten wir Blick auf den Atlantik. Ich hob meinen Arm. Da, Wale! Er entgegnete, das seien keine Wale, das seien Bojen, Ölflecken oder kleine Riffs. Beim Essen wurde es immer dunkler und dann meinte Konstantin, auf den Atlantik schauend, es sind tatsächlich noch mehrere Riffs im Angebot. Kelly Kelleher quellen die Augen aus den Höhlen. Die Monster-Stewardess, die mir gerade den Tomatensaft serviert hat, sieht von hinten wie ein junges Mädchen aus. Ob wir diesen Flug überleben? Was, wenn das Flugzeug über dem Atlantik abstürzt? Ich lese: „Als das schwarze Wasser ihre Lungen füllte, als sie starb.“

Zeit

Ich habe keine Zeit, ich weiß nicht, wieviel Zeit mir noch bleibt. Ich habe keine Zeit, das fertig zu malen, das fertig zu schreiben. Ich habe keine Zeit, deshalb male ich schnell, schreibe ich schnell, ich habe keine Zeit, das alles festzuhalten, ich will jetzt nicht sterben, denn ich brauche Zeit, um dies alles zu Ende zu bringen. Die Zeit, sie zerspringt mir in meinen Gehirnwindungen davon. Bitte schmeiss jemand eine Bombe, dann ist die Zeit vorbei. Ich notiere: das All schreibt schon wieder mit. Es stört nicht, wenn jetzt alle Zähne rausfallen. Die Zahnpasta liegt auf dem Badetresen.

Eine Reise mit der deutschen Bahn von Stuttgart nach Ulm – perfekt für das Bahnhasser-Buch

Um von der U-Bahn zu den Gleisen zu gelangen, mussten mein Partner und ich einen Riesenumweg wegen Stuttgart 21 gehen, ich humpelte an Krücken kilometerlang durch den Tunnel. Der Tunnel führte zu Gleis 16, das war aber genau am ganz anderen Ende des Bahnhofs von den Fahrkartenschaltern. Also, humpelte ich weiter. Wir standen 10 Minuten in der Schlange, mein Partner sah auf die Uhr. „Das wird knapp“, meinte er. Dabei waren wir eine ganze Stunde bevor der Zug losfahren sollte, von zu Hause aus aufgebrochen. Die DB-Schalter-Dame sagte uns, falls wir den Interregio nehmen wollten, dann müssten wir nicht umsteigen. Mein Partner sagte, in der App stehe, man müsse einmal umsteigen, das sei zu riskant. Also buchten wir den ICE, der ja nun viel schneller in Ulm sein sollte, dank Stuttgart 21. Eine Zeitersparnis von ganzen 20 Minuten! Was für ein Wahnsinns-Vorteil! Nach erstandener Fahrkarte musste ich vom Schalter wieder zurück humpeln zu Gleis 16 am anderen Ende des Bahnhofs. Der Zug kam 10 Minuten zu spät an. Wir setzten uns in den Speisewagen. Der Mann hinter mir in einen grellroten Pullover gekleidet verhandelte mit der männlichen Bedienung, was es zum Frühstück gebe. Die Bedienung sagte, Frühstück sei aus. Der grellrote Pullover fragte nach einem Croissant. Die Bedienung entgegnete, leider nein. Ein Porridge? Ja, das gäbe es noch. Ansonsten wären noch Mittagsgerichte verfügbar. Als die Bedienung auf dem Weg zu uns war, posaunte der grellrote Pullover, bei der Bahn sei McKinsey durchgegangen. Jetzt kam die Durchsage, dass der Zug eine Viertelstunde später ankommen würde wegen einer Streckenumfahrung. Die Bedienung war jetzt bei uns. Wir bestellten Kaffee. Die Bedienung meinte, das würde sieben Minuten dauern, da die Kaffeemaschine noch gereinigt werde müsse und es gäbe nur Pappbecher, da die Spülmaschine kaputt sei. Mitterweile kringelte ich mich vor lachen. Der Mann in dem roten Pullover krakeelte weiter seine Parolen gegen die Deutsche Bahn durch den Speisewagen. Ich schrieb meinem Bruder eine SMS, dass wir eine Viertelstunde später ankommen würden. Eine Stunde später kamen wir mit der teuren ICE-Fahrkarte in Ulm an, wir hatten also keine Zeitersparnis von 20 Minuten durch den Ausbau von Stuttgart 21. Der Zug hatte so lange gebraucht wie in meinem ganzen vorherigen Leben. Mein Bruder war pünktlich und wir fuhren in seinem Auto nach Neu-Ulm. In der Wohnung meiner Eltern war mein 91-jähriger Vater kurz vor dem Kreislaufkollaps, da wir eine Viertelstunde zu spät waren. Der Tisch sei doch auf 12 Uhr 30 reserviert, rief er aufgeregt. Am Ende von diesem Tag und nach der Rückreise, zeigte mein Handy 5 km Gehleistung an. Ich an Krücken. Das Ergebnis war, dass meine Füße wieder angefangen haben, Knochenmarködeme zu bilden.

Calima über Lanzarote

Wir dürfen nicht auf
der Insel der erstarrten Lava
landen

Der Flughafen ist gesperrt

Notlandung auf Fuerteventura

Volltanken

Blindflug zurück nach Lanzarote

Dunstglocke

Ohne Sicht
Blindflug
im Auto ohne Rast
über die gesamte Insel

Die Körper kataton
von
neun Stunden sitzen

Türenschlagen

Säbelrasseln

Fensterlädenknallen

Die Grippe frisst sich
in mikrokleinen Staubkörnchen
in die Bronchien

Das Gerippe unserer Körper
rattert immer weiter
in ein Leben ohne Schlaf

Eingekerkert in unsere
starren Laken
liegen wir eingesponnen
wie die Opfer von Nosferatu
im Erstickungstod

Unsere neuronalen Netzwerke
finden die
falschen Synapsen

Der Saharasturm Calima
hat uns
unter einer Dunstglocke
des Wahnsinns
begraben