Pola Polanski „Blog“

Neuronen-Regen
Es geschah in einer kalten Nacht. Es regnete Neuronen. Die Dopamine fanden die falschen Rezeptoren. Die Fliesen im Bad brannten unter meinen Füßen und ich konnte nicht schlafen. Es war niemand da, niemand, mit dem ich reden konnte. Es war eine kalte Nacht und ich konnte nicht schlafen. Da fand ich beim Gehen durch Nebel eine blinkende Anzeige, ein winziges Gerät, das auch nicht schlafen konnte, in der kalten Nacht. Ein Gerät, das mein Hirn spiegelte, endlich jemand, mit dem ich in der kalten Nacht, in der ich nicht schlafen konnte, reden konnte. Doch das Gerät, also mein gespiegeltes Hirn, fand die falschen Rezeptoren und war wahnsinnig geworden in dem Neuronen-Regen, so dass ich das Gerät, mein gespiegeltes Hirn, vom sechsten Stock aus dem Fenster warf.



Pola Polanski Vernissage Powerfrauen in Kunst und Literatur
Redetext von Birgit Herzberg-Jochum
Performance: Hannelore Kober „HERRIN DES HAUSES“

Foto: Christina Knauer

Ich darf Sie alle hier ganz herzlich zur Ausstellungseröffnung von Annette Haug/ Pola Polanski/ Amy Hamy begrüßen.

Sie wundern sich sicher nur kurz über 3 Namen zu ein und derselben Person. Kein Problem, nach meiner Rede wissen Sie alle mehr (hoffe ich)

Bevor ich auf das Werk der die hier zu sehenden Zeichnungen und Aquarelle von 38 Schriftstellerinnen und 44 Künstlerinnen eingehen möchte, darf ich Ihnen die Künstlerin und Schriftstellerin ein wenig näherbringen.

Pola Polanski wurde 1966 in Ulm geboren. Von 1991–1997 studierte sie Grafikdesign an der Merz Akademie für Gestaltung in Stuttgart und von 1997–1998 Malerei und Performance an der Staatlichen Akademie der Künste. In den Folgejahren arbeitete sie als Grafikerin und Schriftstellerin. Seit 2008 sind mehrere Bücher erschienen: ein Kurzgeschichtenbuch, ein Gedichtband und mehrere Romane.

Im Jahr 2011 nahm sie die Malerei wieder auf. Seither folgten zahlreiche Gruppen- und Einzelausstellungen in Kunstvereinen und Galerien. Als Künstlerin und Schriftstellerin beansprucht sie (die mit gebürtigem Namen Annette Haug heißt) die Künstleridentitäten Pola Polanski und Amy Hany . Die Künstlerin lebt und arbeitet in Stuttgart.

Sie war Ehefrau, ist Mutter, Partnerin. Sie ist Schriftstellerin, Malerin, Zeichnerin und Grafikerin. Und weil noch Platz im Kopf und Herz ist: ist sie Studentin an der Uni hier in Stuttgart für Literatur.

Bis hierhin könnten sich noch einige andere hier im Raum angesprochen fühlen. Aber Pola ist eben auch Rebellin, Feministin, Neudenkerin, Sie ist in ihrer Kunst laut, direkt, schonungslos, unbequem. Sie ist zudem geradeheraus, anständig, empfindsam, wild und ungestüm und wird eigentlich nur durch ihre Knochen daran gehindert, die Wände in den Köpfen der Menschen einzurennen.

Sicher gibt es Menschen, die vielleicht gestört zu dieser Vielfalt sagen, in den Worten von Wolf Lotter ist das Wort „Gestört“ ein einziges Kompliment. Er erläutert in seinem Buch die „Gestörten“ wunderbar den Unterschied zwischen den Gehemmten (den normalen Menschen) und den Kreativen (den sogenannten „Gestörten“). Ohne die Gestörten entwickelt sich die Welt nämlich nicht weiter. Seien Sie also froh, dass es Menschen wie Pola gibt, die uns Dinge schonungslos aufzeigen und mit einem besonderen Humor und einer sehr realistischen Sicht der Dinge durchs Leben gehen.

Und in diesem Sinne freue ich mich mit Ihnen auf diese wunderbare Arbeit einer besonders kreativen Persönlichkeit: POLA POLANSKI

Erster Raum

Sie sehen hier 38 Powerfrauen in der Literatur durch die Brille der Künstlerin Pola Polanski ausgewählt. Die Tuschezeichnungen geben uns Auskunft über Zerbrechlichkeit, Zartheit, Nachdenklichkeit, Traurigkeit, Introvertiertheit, Humor, der Protagonistinnen wieder. Was sie alle eint, ist die Tatsache, dass Ihre künstlerische Arbeit nur durch männliche Freundlichkeit (es wurde Ihnen erlaubt) oder allen Ärgernissen zum Trotz weitergeführt wurde. Aber wir erinnern uns bitte noch daran, bis wann der Ehemann entscheiden durfte ob Frau Autofahren lernen durfte oder gar arbeiten. Wie wird es da mit einer geistigen Tätigkeit wie der Schriftstellerei gewesen sein? Der Norm nicht zu entsprechend ist erst seit Zeiten von Queer und Gendergap in aller Munde und auch hier ist heute im Hier und jetzt noch sehr viel Wortakrobatik von Nöten, um manchen gehemmten Kopf gerade zu rücken.

Wir (Pola und ich) haben uns jeweils eine Schriftstellerin und Künstlerin ausgesucht anhand derer ich Ihnen die Werke von Pola nun gerne erläutern möchte:

VIRGINIA WOOLF

*25.01.1882 in London geboren
+28.03.1941 bei Rodmell nahe Lews, Sussex

Wenn wir die Tuschzeichnung anschauen, sehen wir eine in sich gekehrte Frau, die klar und ungeschnörkelt aus dem linken Bildraum schaut. Sie wirkt abwesend, unnahbar.

Virginia Woolf stammt aus einem wohlhabenden Elternhaus. Sie wurde von ihren Halbbrüdern als Kind missbraucht. Mit 23 Jahren ist sie in den Bloomsburry Group (Künstler:innen und Schriftsteller:innen) und lernt ihren künftigen Ehemann Leonard Woolf kennen. Sie heiraten . Das Ehepaar gründet einen eigenen Verlag, die Hoghart Press. VW gilt als Wegbereiterin des Schreibens, neben James Joyce und Marcel Proust.

Im Krieg durch die Bombenangriffe kurz vor dem Wahnsinn, schrubbte sie im Haus die Böden. Als alles nichts mehr half, schrieb sie ihrem Mann einen Abschiedsbrief und ging mit Steinen beschwert ins Wasser.

Berühmt wurde Sie durch das Essay „Ein Zimmer für sich allein“(1923), welches durch die Frauenbewegung sichtbar gemacht wurde.

JULI ZEH

*30.06.1974

Die Tuschzeichnung zeigt uns eine Frau, die den Betrachter offen und klar anschaut, nichts ist abweisend, alles ist möglich. Der Mund zu einem Lächeln geschürzt, keine Abwehr.

Von Beruf Juristin und Schriftstellerin ist Juli Zeh eine von zwei sehr unterschiedlich Berufsbildern geprägt.

Die Juristin, klar und geordnet, Paragraphen und Gesetze, die linke Hirnhälfte für Logik und Analyse sind hier stark gefragt, daneben die rechte Hirnhälfte für die Schriftstellerin unabdinglich, sich die Geschichten Ihres literarischen Werks, bildlich, gefühlsbetont und schöpferisch zu erschließen.

Wir tragen immer beide Seiten in uns – die analytische und die schöpferische, allerdings ist es bei Juli Zeh sicher eine sehr ausgewogene Verteilung der beiden Seiten.

Polanski ist ebenso wie Zeh eine Person, die sich mit dieser differenzierten Sicht, den sehr unterschiedlichen Schwerpunkten in ihrem bisherigen Leben sehr gut zurechtfindet.

In den einzelnen Texten zu den Zeichnungen der Schriftstellerinnen sehen wir mehr vom Charakter, die Haltung der Protagonistin aufs Papier gebannt. Lassen Sie sich dann später von den Texten weiter in den Charakter der Frauen hineinziehen, lernen sie die einzelnen Powerfrauen durch die Hand und Gedanken von Pola Polanski näher kennen. Es ist eine teils sehr kurzweilige, teils aber auch sehr emotionale Zusammenstellung.

Um auf den zweiten Schwerpunkt von POLA POLANSKI näher einzugehen, möchte ich sie jetzt gedanklich in den zweiten Raum mitnehmen.

44 POWERFRAUEN IN DER KUNST.

Wie die hier zusammengestellten Porträts von zeitgenössischen europäischen und amerikanischen Künstlerinnen eindrucksvoll zeigen, gehen Frauen in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts ihren eigenen Weg, auch diejenigen, die lange nur als Ehefrauen von bedeutenden Künstlern angesehen wurden. Sie lassen sich meist keiner der bestimmenden Stilrichtungen zuordnen, bevorzugen Mischtechniken oder einen ‹sichtbaren› Farbauftrag.

Die Themen entstammen oftmals der weiblichen Lebensrealität: Die hier vorgestellten Frauen beschäftigen sich immer wieder mit Gewalt, mit der Identität als Frau, dem eigenen Körper oder dem kommerziellen weiblichen Schönheitsideal, mit dem Zerfall der Seele und der Natur der Realität. Viele sind Feministinnen, viele von Krankenhaus- oder Psychiatrieaufenthalten geprägt (nicht alle).

Günther Baumann hat im Vorwort des Buches über den Zyklus folgendes geschrieben:

„(S.3) die Unmittelbarkeit dieser halb surrealen, halb psychedelischen Wort- und Bildmeldungen ist schamlos, ungeschützt, verletzlich, zuweilen selbstzerfleischend direkt und aggressiv.“

Das „Kompendium zur Frauengeschichte“ (S.4) zeigt ein poetisches und künstlerisches Schaffen von Pola, welches uns in unserer Seele berührt, uns selbst aufzeigt, wo wir selbst stehen.

Auch hier können wir über die Tuschzeichnung, welches Polanski von Fotografien und Bildnissen abgezeichnet hat, viel über die einzelne Künstlerin erfahren. Bei dem Porträt von Frida Kahlo (*6.7.1907, † 13.7.1954) sehen wir den Schmerz in ihren Augen, die tiefe Trauer des Erlebten. Oder die Zeichnung von Maria Lassnig (*8.9.1919, † 6.5.2014). Die persönliche Vorlagen-Auswahl zur Erstellung der Tuschzeichnungen ist bereits eine sehr persönliche Wertung und Einschätzung der Künstlerin POLA POLANSKI. 

Durch die Vita können wir Betrachter nun die einzelnen Protagonistinnen einstufen in Zeit, Geschehen und Ort. Auch die Hintergründe von einigen Suiziden sind herauszulesen.

Was Pola nun macht, ist – den einzelnen Powerfrauen eine Geschichte zuzuordnen, Sie komponiert eigens Erdachtes zu den besonderen Frauen hinzu. Hierdurch wird die persönliche Sicht von Polanski zu den Künstlerinnen weiter geformt, wie eine Skulptur erwachsen die einzelnen Charaktere durch Polas Gedanken.

Interessant finde ich, dass es beim Lesen der einzelnen zugedachten Gedanken nie falsch erscheint, es ist wie ein klarer Gedankengang der interpretierten Personen.

Auch hier haben wir jeweils eine Künstlerin ausgewählt, ich beginne mit der Auswahl von Pola Polanski:

UNICA ZÜRN

(+6.7.1916, †19.10.1970)

Auch UNICA ZÜRN war – wie Pola eine Schriftstellerin UND Künstlerin. Surrealismus, mit Tinte, Bleistift und Gouache erschuf sie in einer Arbeit so viele Portraits auf einem Blatt, dass man als Betrachter Schwierigkeiten hat die einzelnen Personen darin zu erkennen. Thematisch war in ihrer Schriftstellerischen Arbeit häusliche Gewalt, Abtreibung und sexueller Missbrauch. Die beruflichen Erfolge konnten ihre schizophrenen Phasen und Depressionen nicht verhindern. Sie sprang 1970 aus dem Fenster. Pola bringt uns allen die letzten Minuten spürbar nah, wir stehen mit auf dem Fensterbrett. Nur springen wir nicht.

Meine Auswahl

CORNELIA SCHLEIME

*4.7.1953, Berlin

Sie begann ihre Künstlerische Karriere in der DDR. Hier fiel sie durch ihre feministische Kunstaktion der Stasi ins Auge und wurde bespitzelt. Ihr Frühwerk, welches sie in der DDR erschuf) ging fast völlig verloren. Sie schreibt 2008 einen Roman („weit fort“), in welchem sie die persönlichen Ereignisse aufarbeitet. Ihre Ausdrucksmittel sind: Malerei, Fotografie, Film, Performance und Schreiben.

Die Tuschezeichnung zeigt eine – sich die Haare raufende Cornelia Schleime, mit einer übergroßen Gesicht über deren Kopf. Man hat das Gefühl, dieser spricht zu ihr, lässt sie etwas wahnwitzig lachen, ungläubig über die Worte die zu ihr dringen.

POLAS persönliche Gedanken von Cornelia Schleime beschreiben auch die eigenen am Besten, wie ich finde. Ich zitiere aus dem Buch:

Seite 86:

„ich bin unruhig, etwas muss raus. Ich male einen Roman in Bildern, ich male Bilder in einen Roman. Ich sitze auf einem Seil, drohe immer wieder abzustürzen in meine eigenen Gefühle, die ich versuche, auf der Leinwand irgendwie zu kanalisieren. Dieses fixieren, jenes festhalten, sonst knallt es in meinem Kopf…. Ein Puzzle im Kopf, im Hirn, in meiner linken Hirnhälfte, in meiner rechten Hirnhälfte. Wo wohnen die Gefühle? Überall machen Sie sich breit, haben eine Flächenausdehnung von tausenden von Quadratkilometern.“

Ich darf Sie nun alle einladen, sich auf die persönliche Sicht von POLA POLANSKI einzulassen, sich den Künstlerinnen und Schriftstellerinnen zu nähern, Ihnen vielleicht den nächsten Buchkauf zu widmen, um eine doch etwas schiefe Sicht der Dinge durch eine Art Gleitsichtbrille zu korrigieren. In diesem Fall hier: die Nahsicht auf mutige, wissende Frauen, die teils durch ihre Entschlossenheit in der männlich geprägten Weltsicht aneckten und darüber manchmal einsam und verstört wurden.

Lassen Sie sich ein in die Welt der sogenannten „Gestörten“, Sie wissen manchmal besser was zu tun ist.

Beide Bücher

44 POWERFRAUEN IN DER KUNST

und

38 POWERFRAUEN IN DER LITERATUR können Sie heute erwerben.

SPECIAL: Sie können heute das Bundle beider Bücher für 50 Euro inklusive Signierung erhalten. Solange Vorrat reicht.

Performance: Hannelore Kober „HERRIN Des HAUSES“

In diesem Sinne – PROST!mmentare

  1. Hallo Pola 🙂 netter Blog! Weiter so und viel Erfolg

Einladung zur Ausstellung „Powerfrauen in Kunst und Literatur:
https://www.interart-stuttgart.de/2024/11/08/pola-polanski-powerfrauen-in-kunst-und-literatur/

  • Girls Girls Girls
  • POWERFRAUEN IN KUNST UND LITERATUR–AUSSTELLUNG

    P O W E R F R A U E N in Kunst und Literatur

    08.11.2024 – 07.12.2024
    Vernissage: 08.11.2024 19:22 Uhr

    InterArt e.V. Rosenstr.37 70182 Stuttgart

    https://www.interart-stuttgart.de/

    Wie die hier zusammengestellten Porträts von zeitgenössischen europäischen und amerikanischen Künstlerinnen eindrucksvoll zeigen, gehen Frauen in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts ihren eigenen Weg, auch diejenigen, die lange nur als Ehefrauen von bedeutenden Künstlern angesehen wurden. Sie lassen sich meist keiner der bestimmenden Stilrichtungen zuordnen, bevorzugen Mischtechniken oder einen ‹sichtbaren› Farbauftrag. Die Themen entstammen oftmals der weiblichen Lebensrealität: Die hier vorgestellten Frauen beschäftigen sich immer wieder mit Gewalt, mit der Identität als Frau, dem eigenen Körper oder dem kommerziellen weiblichen Schönheitsideal, mit dem Zerfall der Seele und der Natur der Realität. Viele sind Feministinnen, viele von Krankenhaus- oder Psychiatrieaufenthalten geprägt (nicht alle).
    Die Stuttgarter Künstlerin Pola Polanski hat von allen hier Vorgestellten ein Porträt gezeichnet und diesem eine Lebensskizze und ein inspiriertes Stichwort zur Charakterisierung des Werks oder der Person gegenübergestellt. Sie hat ihre Werke gründlich studiert und kennt einige von ihnen persönlich, kann sich zudem als Künstlerin zwanglos in die ihr nahestehenden Frauen einfühlen.

  • Moonlight
  • Hey Doc…
  • AI

    Zyste im Rücken, Abszess am Arsch, Miniskus ruiniert. Konstantin lächelt mich an. Er hat keine Schmerzen, keine Aggressionen wegen der Schmerzen. Ich denke an den Film „Im August in Osage County“ wie Meryl Streep sämtliche Mitglieder ihrer Familie vom Tisch fegt mit den Worten wie zum Beispiel „Frauen werden im Alter immer hässlicher, Männer jedoch immer schöner“. Ich frage mich, ob, wenn man AI hat, also Akne Inversa, ob das was mit AI, Artificial Intelligence zu tun hat. Wir haben fertig gegessen. Da steht noch die halb gefüllte Wasserflasche. Konstantin sagt: „Die nehmen wir mit.“ Er läuft mit der Wasserflasche voraus, ich an Krücken hinterher. Immer wieder kommt der Gedanke, mein ramponiertes Skelett wird demnächst auseinanderfallen.

  • Schwarzes Wasser

    Ich sitze im Flugzeug der Firma Eurowings auf dem Rückflug von Lanzarote und bin in mein Buch „Schwarzes Wasser“ von Joyce Carol Oates vertieft. Die dicke Stewardess in dem schrecklichen hellblauen Kostüm, das ihre Kurven noch mehr betont, reisst mich aus dem Kampf von Kelly Kelleher mit dem Ertrinkungstod nach einem Autounfall. Die Stewardess schaut mich unter dicken schwarzen angeklebten Wimpern an. Sie sind nicht angeschnallt. Kelly Kelleher entdeckt gerade, dass ihr Fuß nicht mehr zu spüren ist. Ich schaue von meinem Buch auf. Die Stewardess ist schon wieder weg. Der bullige Typ neben mir liest in einem Buch über erfolgreiche Vernehmungsfälle. Ein Kriminalbeamter? Meine Gedanken schweifen in den Frühstücksraum des Hotels, in dem wir einquartiert waren. Konstantin erwähnte wie beiläufig, dass die Engländer Meister beim Toasten seien, sie würden ihr Brot doppelseitig toasten und wären so erfahren in der Schlange am Toaster immer ihr Brot wieder zu finden, obwohl, sie es ja wegen dem doppelseitigen toasten immer zweimal in die Maschine geben müssten. Ich lese, wie sich Kelly Kellehers Blut mit dem schwarzen Wasser, dem Sumpfwasser, Brackenwasser mit Öl durchsetzt vermischt. Konstantin beobachtete weiter die Schlange und murmelte unter vorgehaltener Hand zu mir: Der kämpft mit seinem Brot, also kein Engländer. Jetzt kommt die nächste Stewardess. Sie sieht von vorne aus wie ein Monster, ein Opfer einer misslungenen Schönheitsoperation. Ich werfe meine Gedanken Konstantin an den Kopf. Er meint darauf, das sei eine Crew, die auf Kurzflüge abgeschoben werde, bevor sie in Rente dürfe. Kelly Kelleher sieht Lichtflecke, die sich in ihren Schädel wie Krebsgeschwüre bohren. Wir lagen am Pool. Ständig quietschte die Ausgangstür zum Hafen, wenn die Engländer ein- und ausgingen. Und dieses Scharren der Liegestühle, wenn die Engländer Schatten suchten! Ich sagte zu Konstantin, ich könne mich kaum auf meinen philosophischen Text, der gerade von der Relativitätstheorie und Quantenphysik handelte, konzentrieren. Er entgegnete, das sei eine selbstauferlegte Strafe, wenn ich so etwas lesen würde, ich finds schön hier. Darauf murmelte ich mürrisch, nur Rentner. Dabei dachte ich mir, es ist viel zu heiß und ich kann nicht ins Wasser, da mir, sobald ich aus dem Wasser steige, das Wasser aus der Blase einfach so herausfließt, ohne dass ich es kontrollieren könnte. Misslungene Konnisation vor acht Jahren! Abends fiel mir im Hotelzimmer ein Glas mit Rotwein gefüllt auf den Boden. Der ganze Boden war mit Glassplittern übersät. Als Konstantin vom Pool kam, sagte ich ihm, er solle aufpassen. Er meinte, wenn ich schreie, bin ich reingetreten. Kelly Kelleher schwappt das Brackwasser in den Mund, es füllt ihre Lunge und sie müht sich ab, Sauerstoff in das ermattende Hirn zu pumpen. Als Konstantin und ich zum Abendessen mit unserem schlammgrünen Jäger-Mietwagen, der uns beim Einsteigen immer mit einem Piepen begrüßte, fuhren, hatten wir Blick auf den Atlantik. Ich hob meinen Arm. Da, Wale! Er entgegnete, das seien keine Wale, das seien Bojen, Ölflecken oder kleine Riffs. Beim Essen wurde es immer dunkler und dann meinte Konstantin, auf den Atlantik schauend, es sind tatsächlich noch mehrere Riffs im Angebot. Kelly Kelleher quellen die Augen aus den Höhlen. Die Monster-Stewardess, die mir gerade den Tomatensaft serviert hat, sieht von hinten wie ein junges Mädchen aus. Ob wir diesen Flug überleben? Was, wenn das Flugzeug über dem Atlantik abstürzt? Ich lese: „Als das schwarze Wasser ihre Lungen füllte, als sie starb.“

  • Powerfrauen in der Kunst-Buchtitel
  • Powerfrauen in der Kunst von Pola Polanski
  • Zeit

    Ich habe keine Zeit, ich weiß nicht, wieviel Zeit mir noch bleibt. Ich habe keine Zeit, das fertig zu malen, das fertig zu schreiben. Ich habe keine Zeit, deshalb male ich schnell, schreibe ich schnell, ich habe keine Zeit, das alles festzuhalten, ich will jetzt nicht sterben, denn ich brauche Zeit, um dies alles zu Ende zu bringen. Die Zeit, sie zerspringt mir in meinen Gehirnwindungen davon. Bitte schmeiss jemand eine Bombe, dann ist die Zeit vorbei. Ich notiere: das All schreibt schon wieder mit. Es stört nicht, wenn jetzt alle Zähne rausfallen. Die Zahnpasta liegt auf dem Badetresen.

  • Eine Reise mit der deutschen Bahn von Stuttgart nach Ulm – perfekt für das Bahnhasser-Buch

    Um von der U-Bahn zu den Gleisen zu gelangen, mussten mein Partner und ich einen Riesenumweg wegen Stuttgart 21 gehen, ich humpelte an Krücken kilometerlang durch den Tunnel. Der Tunnel führte zu Gleis 16, das war aber genau am ganz anderen Ende des Bahnhofs von den Fahrkartenschaltern. Also, humpelte ich weiter. Wir standen 10 Minuten in der Schlange, mein Partner sah auf die Uhr. „Das wird knapp“, meinte er. Dabei waren wir eine ganze Stunde bevor der Zug losfahren sollte, von zu Hause aus aufgebrochen. Die DB-Schalter-Dame sagte uns, falls wir den Interregio nehmen wollten, dann müssten wir nicht umsteigen. Mein Partner sagte, in der App stehe, man müsse einmal umsteigen, das sei zu riskant. Also buchten wir den ICE, der ja nun viel schneller in Ulm sein sollte, dank Stuttgart 21. Eine Zeitersparnis von ganzen 20 Minuten! Was für ein Wahnsinns-Vorteil! Nach erstandener Fahrkarte musste ich vom Schalter wieder zurück humpeln zu Gleis 16 am anderen Ende des Bahnhofs. Der Zug kam 10 Minuten zu spät an. Wir setzten uns in den Speisewagen. Der Mann hinter mir in einen grellroten Pullover gekleidet verhandelte mit der männlichen Bedienung, was es zum Frühstück gebe. Die Bedienung sagte, Frühstück sei aus. Der grellrote Pullover fragte nach einem Croissant. Die Bedienung entgegnete, leider nein. Ein Porridge? Ja, das gäbe es noch. Ansonsten wären noch Mittagsgerichte verfügbar. Als die Bedienung auf dem Weg zu uns war, posaunte der grellrote Pullover, bei der Bahn sei McKinsey durchgegangen. Jetzt kam die Durchsage, dass der Zug eine Viertelstunde später ankommen würde wegen einer Streckenumfahrung. Die Bedienung war jetzt bei uns. Wir bestellten Kaffee. Die Bedienung meinte, das würde sieben Minuten dauern, da die Kaffeemaschine noch gereinigt werde müsse und es gäbe nur Pappbecher, da die Spülmaschine kaputt sei. Mitterweile kringelte ich mich vor lachen. Der Mann in dem roten Pullover krakeelte weiter seine Parolen gegen die Deutsche Bahn durch den Speisewagen. Ich schrieb meinem Bruder eine SMS, dass wir eine Viertelstunde später ankommen würden. Eine Stunde später kamen wir mit der teuren ICE-Fahrkarte in Ulm an, wir hatten also keine Zeitersparnis von 20 Minuten durch den Ausbau von Stuttgart 21. Der Zug hatte so lange gebraucht wie in meinem ganzen vorherigen Leben. Mein Bruder war pünktlich und wir fuhren in seinem Auto nach Neu-Ulm. In der Wohnung meiner Eltern war mein 91-jähriger Vater kurz vor dem Kreislaufkollaps, da wir eine Viertelstunde zu spät waren. Der Tisch sei doch auf 12 Uhr 30 reserviert, rief er aufgeregt. Am Ende von diesem Tag und nach der Rückreise, zeigte mein Handy 5 km Gehleistung an. Ich an Krücken. Das Ergebnis war, dass meine Füße wieder angefangen haben, Knochenmarködeme zu bilden.

Interart Galerie

Rosenstraße 37

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